Buch-Rezensionen

Rezension: Fremder in einer Fremden Welt

Um was geht es?

Fremder in einer Fremden Welt ist ein Science-Fiction Roman von Robert A. Heinlein und erschien erstmalig 1961.

Originaltitel: „Stranger in a Strange Land“.

Was hat ein alter Science-Fiction Roman mit Polyamorie zu tun? Nun sehr viel in diesem Fall. So viel, dass man sogar auf Wikipedia lesen kann dass dieses Werk maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung der Polyamoren Bewegung in den USA hatte.

In dem Buch ist der Mars von Außerirdischen bewohnt, die aber weder friedliebend noch kriegslüstern sind. Sie sind einfach so völlig „alien“ dass sie die Menschheit schlichtweg nicht interessiert. Nach einer gescheiterten benannten Mars-Mission findet sich einige Jahrzehnte später die Überraschung: Ein Baby hat überlebt und wurde von den Marsianern nach ihren Sitten und Moral-Vorstellungen aufgezogen. Der nunmehr erwachsene Mann wird auf die Erde geholt und betrachtet dort alles aus der Perspektive eines völlig Fremden und bemerkt nach einer Eingewöhnungsphase einige Dinge die er trotzdem noch seltsam findet.

Also zieht er aus, diese Dinge zu ändern. Und ihr ahnt es sicherlich: Freie Liebe und im Grunde das was wir heute unter Polyamorie verstehen gehört zu den Dingen, die er mit seinen Anhängern nach und nach einführt.

Dabei kommen ihm übersinnliche Fähigkeiten die er quasi durch die „Erziehung“ der Marsianer bekommen hat zu Gute. Aber durch eine Reihe von glücklichen Fügungen hat er auch noch jede Menge andere Ressourcen zur Verfügung um den Autoritäten immer wieder ein Schnippchen zu schlagen.

Positives:

Dieses Buch habe ich gelesen, weil ich gerne Science-Fiktion lese, nicht wegen Polyamorie. Erst später wurde mir klar was dort eigentlich alles an Ideen steht. Und vor allem in welcher Zeit dieses Buch geschrieben wurde. Erst dann habe ich ein wenig historisch nachgeforscht und entdeckt, dass es tatsächlich für viele eine Art „Funke“ war und ein utopisches Vorbild für die Polyamore Community.

Ein Wort das dort neu erfunden wurde wird auch tatsächlich auch bis heute noch in der Poly-Community benutzt. Das Wort „groken“ in etwa „etwas oder jemanden vollständig verstehen, erfassen, hassen und lieben“. Tatsächlich ist die Benutzung dieses Wort im wesentlichen in der Polyamoren Community zu beobachten und bietet somit einen kleinen Nachhall des enormen Einfluss den dieses Buch damals gehabt haben muss.

Abgesehen von den historischen Aspekten ist es aber auch einfach ein gut geschriebenes interessantes Buch. Es ist ein guter Science-Fitkion und es macht Spaß es zu lesen.

Es regt in vielen Punkten zum Nachdenken an und stellt auf humorvolle Art gesellschaftliche Normen in Frage.

Negatives:

Natürlich ist die „Zukunft“aus einer Perspektive der Vergangenheit dargestellt. Das führt teilweise zu sehr seltsam wirkenden Kombinationen, wie fliegenden Autos einerseits aber die völlige Abwesenheit von Smartphones und Internet andererseits. Eigentlich stört das aber nicht weiter beim lesen.

Außerdem muss man natürlich bedenken dass es sich um einen fiktiven Roman handelt. Das heißt die Dinge die dort beschrieben werden sind nicht wirklich irgendwie getestet oder ausgearbeitet. Sie funktionieren einfach deshalb, weil es zur Story gehört. Teilweise wirkt das ganze dadurch sehr nach „Deus-Ex-Machina“ und ist daher als Ratgeber völlig unbrauchbar. Von der stilistischen Seite als fiktiven Roman kann man ihn natürlich nur begrenzt kritisieren, da es dabei natürlich auf den persönlichen Geschmack ankommt.

Zwei Sachen stören allerdings mich persönlich auch inhaltlich an dem Buch. Als erstes wäre da das Allgemeine Männer und Frauen Bild zu nennen. Es handelt sich dabei um ein sehr klassisches und bietet leider nur wenig Variation und Vielfalt. Nach heutigen Maßstäben ist es sogar rundheraus sexistisch und stellenweise homophob. Entsprechend seiner Zeit (1961 erschienen!) war es ein Meilenstein, aber heute ist vieles veraltet und wirkt viel zu sehr Klischee behaftet. Wenn man genau ließt merkt man aber, dass der Autor sich einfach so gut er konnte Mühe gegeben hat ein Bild darzustellen, dass so modern und realistische war wie er es sich irgendwie vorstellen konnte. Dennoch hapert es an manchen Stelle ganz gewaltig und das bringt den Lesegenuss teilweise ins stocken.

Als zweites stören mich die vielen religiösen Bezüge. Gerade zum Ende hin wird die Geschichte zunehmend Metaphysisch und ganz zum Schluss sogar rundheraus christlich. Es handelt sich dabei um eine sehr frei interpretierte und sexual-bejahende Christlichkeit, aber dennoch wird für mich völlig ohne erkennbaren Grund auf einmal so getan als ob der christliche Gott und sogar der Himmel einfach existierende Tatsachen wären. Das Buch wäre sehr gut ohne diesen Teil ausgekommen, vor allem da die übersinnlichen Fähigkeiten des Protagonisten die ganze Zeit vorher völlig ohne himmlische Kräfte erklärt wurden. Das hat mir persönlich das Ende etwas verdorben, aber im Grunde kann man sich diesen Teil auch einfach weg denken.

Was dann noch übrig bleibt ist eine ziemlich ungewöhnliche Art der Religionskritik und eine völlige Neuinterpretation der christlichen Werte, die für manche vielleicht ihren ganz eigenen Charme hat.

Für mich als Atheisten, der dachte bei Science-Fitkion von metaphysischem verschont zu werden allerdings eher nervig.

Dennoch: Im historischen Kontext ist dieses Buch ein Meilenstein gewesen. Und man muss ja nicht alles gut finden, Die meisten wesentlichen Ideen bleiben weiterhin interessant und lesenswert.

Bemerkung: Es existiert eine „Kurzfassung“ und eine Langfassung. Lange Zeit ging das Gerücht um in der zuerst erschienen Kurzfassung fehlen brisante Szenen und es wird immer noch behauptet die Kurzfassung sei damals „zu brisant“ gewesen für die Veröffentlichung. Im wesentlichen wurden aber Füllwörter und Sätze gekürzt ohne große inhaltliche Differenzen zu erzeugen. Es ist also eher eine Frage des Stils, als eine der Zensur, welche Fassung man bevorzugt.

Für wen ist dieses Buch: Science-Fitkion interessierte. Leute die sich für Ursprünge der Polyamoren Community und der Pagan-Bewegung interessieren. Jeder der gerne amüsante Romane ließt und in völlig neue Denkarten eintaucht. Spirituelle und religiöse Menschen mit sehr offenen und freien Vorstellungen von Sexualität.
Für wen ist dieses Buch nicht: Menschen die sich an Gender-Sterotypen stören. Menschen denen Romane mit frei erfundenen Handlungen nicht zusagen. Menschen die den „Science“ Teil in Science-Fiktion sehr ernst nehmen und nicht viel mit unerklärten übersinnlichen Fähigkeiten und „Deus-ex-machina“ anfangen können.

Gesamtwertung: 7/10

Kaufempfehlung: Ja

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Deutsch: Fremder in einer fremden Welt

Englisch: Stranger in a Strange Land

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