Buch-Rezensionen

Rezension: The Polyamorist next door

Um was geht es?

„The Polyamorist next door“ ist vor allem ein Bericht mit wissenschaftlichem Anspruch über die Polyamorie als Ganzes. Es ist darüber hinaus das einzige mir bekannte Buch, dass ausführlich auf die Kinderfrage eingeht. Abgesehen von einem großem Abschnitt über polyamore Familien und Kinder, die in diesen aufgewachsen sind, gibt es noch zwei weitere große Themenkapitel. In einem Teil wird sehr neutral und mit einer positiven Grundintention erklärt woher die polyamore Community stammt und was so ihre Eigenarten sind. In einem weiterem Teil beschreibt die Autorin (Elisabeth Sheff) ihre eigenen Erfahrungen mit der Polyamorie.

Insgesamt bemüht sich das Buch sehr um einen wissenschaftlichen Stil und eine sehr Fakten getreue Darstellung, die nichtsdestotrotz durchgehend positiv gefärbt ist.

Positives:

Als ich anfing dieses Buch zu lesen war ich skeptisch. Die Autorin gibt gleich im Vorwort zu mit Polyamorie persönlich nur durchweg schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Doch dieser Sachverhalt wird im Verlauf des Buches eher zu einem positivem Punkt. Denn obwohl die Autorin selbst negative Erfahrungen mit diesem Thema gemacht hat, bleibt sie doch durchweg positiv gegenüber der Sache an sich.

Mit einer sehr wissenschaftlichen Herangehensweise analysiert sie ihr eigenes Scheitern und welche Fehler dazu geführt haben, was sie erlebt hat.

Abgesehen davon ist es einfach ein durchweg gutes Buch. Es ist weniger ein Ratgeber als vielmehr eine genaue Erfassung der polyamoren Gemeinschaft in den USA, ohne dabei zu einer kompletten Romantisierung zu verkommen. Als solches nimmt es einem sehr viele Ängste und Sorgen und weißt stattdessen auf tatsächlich relevante Probleme hin. Gerade der Teil über Kinder und Familien ist extrem interessant und allein deswegen empfehle ich jedem dieses Buch zu lesen.

Das Buch arbeitet sehr viel mit direkten Zitaten. Gerade die Zitate der Kinder sind dabei teilweise so unglaublich witzig, dass es sich allein deswegen schon lohnt das Buch zu lesen.

Insgesamt muss man einfach zugeben: Der Autorin ist tatsächlich der Spagat gelungen ein gut lesbares Sachbuch im wissenschaftlichem Stil zu verfassen. Dieses ist gleichzeitig so neutral wie möglich, ohne dabei Dinge zu beschönigen oder zu dramatisieren. So etwas findet man wirklich selten und gerade mit dem persönlichen Hintergrund der Autorin verdient das finde ich ganz besonderen Respekt.

Negatives:

Einer der wenigen Nachteile ist, dass es das Buch bis jetzt meines Wissens nur auf Englisch gibt. Wer also nicht gut englisch kann, wird vieles in dem Buch nicht flüssig lesen können.

Ein weiterer winziger Minuspunkt ist, dass das Buch komplett auf die USA bezogen ist. Selbst wenn man es also übersetzen würde, (was ich wirklich sehr hoffe) wäre da immer noch die Tatsache das einige der beschriebenen Verhältnisse eben nur die USA betreffen. In dem Buch kommt es zum Beispiel so rüber, als werden einem dort sehr schnell die Kinder weg genommen. Meines Wissens ist das in Deutschland nicht ganz so einfach und vor allem nicht so schnell wie in den USA möglich.

Außerdem sind mir zwei Dinge aufgefallen, die ich aus meiner Sicht so in Deutschland einfach nicht bestätigen kann. Nämlich erstens die Behauptung Männer wären in der Poly-Community über vertreten und zweitens, dass gewisse Konstellationen inhärent instabiler wären als andere. Abgesehen von diesen zwei Punkten in denen ich ohne die Daten von Deutschland zu haben einfach eine andere Einschätzung habe, konnte ich aber fast alles abnicken was ich in „The Polyamorist next door“ lesen durfte. Und das kommt wirklich nicht oft vor bei diesem Thema.

Dieses Buch hat mich wirklich sehr positiv überrascht und ich habe in sehr kurzer Zeit durchgelesen.

Für wen ist dieses Buch: Jeden der in einer offenen Beziehung Kinder kriegen möchte oder hat. Jeder der sich für Co-Parenting interessiert. Menschen die sich für die Historie von Polyamorie interessieren. Menschen die gerne wissenschaftlich neutrale Sachbücher lesen ohne sich zu Tode zu langweilen. Wenn man allgemein gerne zutreffende Informationen haben möchten, ohne zu viel Färbung.
Für wen ist dieses Buch nicht: Menschen die ausschließlich positives über Polyamorie hören wollen. Menschen für die die Frage nach Kindern keine Rolle spielt.

Gesamtwertung: 9/10

Kaufempfehlung: Ja

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The Polyamorists Next Door: Inside Multiple-Partner Relationships and Families

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